LANDWIRTIN ANITA KELMENDI AUS WITZENHAUSEN KÄMPFT UM IHREN HOF

„Ich bin Bäuerin und Bankerin – anders kann ich nicht überleben“

Sie ist Bäuerin aus Leidenschaft, liebt die Arbeit auf dem Hof. Die Tiere versorgen, Felder bewirtschaften, die Ernte einfahren, im Einklang mit der Natur und den Jahreszeiten. Doch allein von ihrem Traumjob kann die 47-Jährige nicht leben. Um den Hof zu erhalten und finanziell über die Runden zu kommen, arbeitet sie zusätzlich in einer Bank.

Sie sind ein eingespieltes Team: Anita Kelmendi und ihre ältere Schwester Ute Ebel (54) bewirtschaften zusammen den landwirtschaftlichen Familienbetrieb im Witzenhausener Ortsteil Albshausen. Dazu zählen 70 Hektar Acker- und Wiesenland, 25 Milchkühe, vier Pferde und zahlreiche Hühner. Für Anita Kelmendi ist die Landwirtschaft ein Nebenverdienst –ein Hobby, wenn man so will. Denn ihren Lebensunterhalt verdient sie an zwei Tagen in der Woche in einem regionalen Bankinstitut. Urlaub, teure Kleidung und Autos, neue Landmaschinen – auf all das verzichten die Schwestern. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge.„Ohne den Job könnte ich nicht überleben. Bäuerin zu sein ist eine Leidenschaft. Wir machen das, weil wir es lieben“, sagt Anita Kelmendi. „Kaum einer ist Bauer, weil er einen lukrativen Job dahinter sieht.“ Sie kennt die Vorwürfe und die Kritik, mit denen viele Landwirt leben müssen: Ihr Handeln sei nicht umweltfreundlich, ihr Jammern ein Luxusproblem, schließlich erhielten die Höfe doch hohe Subventionen. Die Schwestern können darüber nur noch müde lächeln.
Gerade die Unterstützung, so erklären sie, sei an hohe Auflagen und lange bürokratische Wege gebunden. Die entsprechenden Anträge zu stellen, erfordert viel Zeit und am Ende stünden häufig Investitionen, die viele Landwirte in ihrem Alltag nur schwer aufbringen können.

BÜROKRATIE-LAUF FÜR DÜRREHILFE

Anita Kelmendi verdeutlicht das Problem an der Dürrehilfe. Im vergangenen Jahr haben Landwirte – und insbesondere diejenigen mit Viehwirtschaft – zehntausende Euro investieren müssen, um ihren Viehbestand überhaupt ernähren und damit vor dem Schlachter retten zu können. „Für uns stand nie zur Debatte, unsere Kühe zu schlachten“, sagt Anita Kelmendi. Also haben die Schwestern einen Kredit in Höhe von 15.000 Euro aufgenommen. Für einen Betrieb, der im Jahr rund 7.000 bis 8.000 Euro erwirtschaftet, eine tiefe Kerbeim Finanzplan. „Im letzten Jahr sind wir aber noch davon ausgegangen, dass wir einen Teil durch die von der Politik angekündigte Dürrehilfe zurückerhalten“, erklärtBäuerin Anita. Um die Hilfevom Staat zu beantragen, beginnt für die Schwestern ein Bürokratie-Marathon. 48 Seiten umfasst der Antrag, für den drei lange Amtsgänge zur Unterlagenbeschaffung nötig waren. Der wurde zunächst bewilligt. 12.000 Euro Dürrehilfe sollte der Betrieb in Albshausen erhalten, 50 Prozent davon als Soforthilfe. 6.000 Euro wurden dem Kelmendi-Hof bereits ausgezahlt, die sofort in die Tilgung des 15.000-Euro-Kredits geflossen sind. Wenige Wochen später der Schock: Anita Kelmendis und Ute Ebels Situation entspricht doch nicht den politischen Hilferichtlinien. Die Schwestern sollen die bereits gezahlten 6.000 Euro sofort zurückzahlen. Wie sie das leisten sollen – ungewiss. „Die tatsächlichen Zahlen zeigen, dass unser Betrieb zwar über 25 Prozent Defizit jeweils an Getreideernte und Grünfutter
hat, im Sektor Milch sind unsere Zahlen jedoch konstant. Das macht uns nicht förderungswürdig“, erklärt Anita Kelmendi. Die Kosten, die die Landwirtinnen in denErhalt des Betriebs gesteckt haben – politisch betrachtetuninteressant. Anita Kelmendi und Ute Ebel erklären das Dilemma vieler Landwirte: „Die Verbraucher wollen Lebensmittel. Die sollen aber am besten nichts kosten und dazu makellos sein. Das ist meistens nicht nachhaltig undwirtschaftlich nicht umsetzbar.“ Die beiden sind überzeugt: „Der Verbraucher istes, der steuert, wie es uns Bauern geht.“

MIT NEUEN IDEEN INS NEUE JAHR

Das neue Agrarpaket der Bundesregierung wird für viele Landwirte große Probleme bringen, dessen ist sich Anita Kelmendi sicher. „Die meisten Bauern sind jetzt schon verschuldet, vor allem diejenigen, die Subventionen erhalten. Denn um die überhaupt zu bekommen, müssen sie teureAuflagen erfüllen“, sagt Anita Kelmendi. Und wie geht es mit Ihrem eigenen Hof jetzt weiter? Um den Betrieb finanziell über Wasser zu halten, gehen die Schwestern neue Wege in der Vermarktung. Sie werden die Milch ihrer Kühe weiterverarbeiten und in Zukunft auch in Form von Käse, Quark und Joghurt anbieten. Anita Kelmendi „Die nächsten Monate und Jahre werden hart. Aber wir werden kämpfen, um den Hof zu erhalten!“