meineWelt besuchte Irene Dürkoop (94) aus Mühlhausen und sprach mit ihr über Vorsätze und ihre Bedeutung im Wandel eines knappen Jahrhunderts.

Um es vorweg zu sagen: Irene Dürkoop hat für das Jahr 2020 nur einen Vorsatz und der hört sich an, wie ein Rat fürs Leben: „Immer nach vorne schauen und das Leben nicht rückwärts leben!“

Von dieser besonderen 94-jährige Dame aus dem Westen Thüringens, die trotz ihres hohen Alters lebensfroh ins neue Jahr blickt, wollen wir etwas über die Bedeutung der Vorsätze wissen. Wie haben sie sich verändert, was können sie bewirken?

Eine Zeitreise nach Suhl in das Jahr 1925, dem Geburtsjahr von Irene Dürkoop: In diesem Jahr veröffentlichte Hitler sein berüchtigtes Tagebuch und gründete die SS. Der erste Weltkrieg „steckte den Menschen noch in den Knochen“, erzählt die betagte Dame. „Meine Eltern hatten es nicht leicht, aber es ging uns immer noch besser als anderen.“ Ihr Vater war Orthopädieschuhmachermeister und fertigte Stiefel an. Die Mutter half in der Werkstatt und im Büro mit. „Damals“, erzählt Irene, formulierte sie „persönliche, kindliche Vorsätze“: „Ich wollte fleißig sein und viel für die Schule arbeiten, um mir selbst ein gutes Leben aufbauen zu können.“

Irene Dürkoop war 14 Jahre alt, als der Zweite Weltkrieg ausbrach. „Ich war ein Teenager und plötzlich war der Krieg da.“ Sie erlernte in einem Süßwarengeschäft den Beruf der Verkäuferin und erzählt: „Sirenenalarm war für uns normal. Wir schlossen das Geschäft ab und rannten in die Luftschutzbunker.“ Zu dieser Zeit habe man kaum „Nerven für Vorsätze“ gehabt. Es ging um das nackte Überleben. In diesen Monaten lernte sie ihren späteren Ehemann Wolfgang kennen. Doch ihr Jugendfreund zog schon bald in den Krieg. Aber Wolfgang überlebte und kam gesund zurück. „Er trug mich in seinem Herzen, und auch ich hatte ihn nie vergessen“ Der schönste Vorsatz für Irene: An die Liebe glauben.

Gemeinsam zogen sie ins thüringische Unterellen. Anschließend folgte ein Jahr in Wien. Dort war sie zum Arbeitsdienst eingeteilt. „Wir hatten zwar wenig Zeit für-
einander, fassten aber dort erstmals gemeinsam den Vorsatz: das Leben zu zweit zu genießen!“

1949 Umzug nach Treffurt. Hier trat Wolfgang eine Stelle als Lehrer an. Eine Tochter wurde geboren. Es waren magere Zeiten mit viel Verzicht. Aber Irene hatte einen Vorsatz gefasst: Das Neugeborene sollte es von Anfang an besser haben. „Ich habe eisern gespart und kurz vor der Geburt ein Stück Seife für 10 Mark gekauft. Denn mit der üblichen Tonseife wollte ich mein kleines Mädchen nicht waschen.“

Ein Jahr später zog die Familie nach Mühlhausen. Der neue Vorsatz: „Hier wollen wir bleiben!“
Die Familie wuchs, zwei weitere Kinder wurden geboren. 1962 trat Irene Dürkoop eine Stelle als Schulsekretärin in der Pestalozzischule, einer Einrichtung für lernbeeinträchtigte Kinder, an. Ehemann Wolfgang arbeitete dort als Lehrer. Es folgten glückliche Jahre „Wir nahmen uns immer vor, alles dafür zu tun, damit es unserer Familie gut geht“, erzählt Irene.

Nach einem schweren Unfall mit Oberschenkelhalsbruch musste Irene ihren Job aufgeben. „Mein Leben änderte sich von einem Tag auf den anderen. Ich hatte nur noch einen Vorsatz: Gesund werden. Den Vorsatz habe ich nie aufgegeben, denn das Leben geht immer weiter.“

Eine Erkenntnis, an der sie auch nach dem Tode des geliebten Ehemanns 1993 festhielt. Heute zieht Irene Dürkoop, die inzwischen in einem Seniorenheim in Mühlhausen lebt, ein Resümee voller Zufriedenheit: „Das Leben hat es gut mit mir gemeint, und wenn es irgendwann vorbei ist, dann kann ich sagen: Ich habe jeden Tag gelebt und genossen.“ Vorsätze habe sie nun keine mehr, aber eines habe sie gelernt: „Vorsätze helfen, um die jeweilige Lebenssituation zu erkennen und das Beste daraus zu machen.“

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